Im Leo-Baeck-Haus des Zentralrats hatte zuvor ein religiöser Schreiber die Tora fertig gestellt. Minister Pistorius und Präsident Schuster beteiligten sich gemeinsam mit Rabbinern und jüdischen Soldatinnen und Soldaten am Schreiben der letzten Buchstaben der Gebetsrolle. Danach wurde die Pergamentrolle mit Stoff verhüllt. Jüdische Soldaten und Militärrabbiner trugen eine Chuppa, einen Stoff-Baldachin, unter dem die Torarolle ins Militärrabbinat gebracht wurde.
„Für mich war es eine besondere Ehre, dass ich heute bei der Vollendung der Torarolle anwesend sein durfte. Für diese letzten Buchstaben stehe ich jetzt Pate – und damit auch für den Mut und die Zuversicht, die aus der Torarolle erwachsen sollen. Die Jüdische Militärseelsorge hat einen festen Platz in der Truppe – und jetzt auch ein Zuhause in der Johannisstraße. Eine lebendige jüdische Militärseelsorge tut uns gut“, so Boris Pistorius, Bundesminister der Verteidigung.
„Mit der Einweihung der Torarolle des Militärrabbinats und dem Einzug in die neuen Räumlichkeiten hat die jüdische Gemeinschaft endgültig ihren Platz in der Bundeswehr eingenommen. Die Verankerung des Judentums in der Bundeswehr ist eine Selbstverständlichkeit, aber auch um Selbstverständlichkeiten muss immer wieder gekämpft werden. Ich freue mich, dass die jüdische Gemeinschaft in Deutschland einen Beitrag zur Entwicklung der Bundeswehr leistet“, sagte Zentralratspräsident Dr. Schuster bei der Ankunft der Tora im Militärrabbinat.
Die Fertigstellung der Tora-Rolle ist im Judentum eine der feierlichsten Aktivitäten, die mit der Einweihung von Synagogen und anderen religiösen Stätten einher geht. Die Sofrim, die religiösen Schreiber, sind speziell ausgebildete Schriftexperten, die den hebräischen Text mit Tinte und Federkiel meist in Anwesenheit von Rabbinern und der Gemeinde finalisieren. Militärbundesrabbiner Zsolt Balla beendete die Zeremonie mit einem Gebet.
Das Militärrabbinat war seit seiner Gründung 2021 zwischenzeitlich in einer Bundeswehr- Kaserne nahe Berlin-Köpenick untergebracht. In den neu eingeweihten Geschäftsräumen des Militärrabbinats wird die Tora nun in einer Reise-Box aufbewahrt, denn sie soll nicht nur an jüdischen Feiertagen, sondern auch in Einsätzen der Bundeswehr genutzt werden.
Kvod Harabbanim
Sehr geehrter Herr Bundespräsident,
sehr geehrter Herr Bundeskanzler,
sehr geehrter Herr Ministerpräsident,
sehr geehrte Frau Landtagspräsidentin,
sehr geehrter Herr Präsident der Zentralwohlfahrtstelle der Juden, lieber Ebi,
meine Damen und Herren,
heute ist ein Tag der Freude und des Stolzes für uns alle, ein Tag, an dem wir die Früchte jahrelanger Anstrengung ernten dürfen. Lange fehlte das Herzstück jüdischen Gemeindelebens in Potsdam, ab heute schlägt es wieder, hör-und sichtbar. Der Bau dieser Synagoge konnte nur dank einer engagierten Politik der Regierung des Landes Brandenburg und der Stadt Potsdam gelingen. Dafür möchte ich Ihnen danken.
Hervorheben möchte ich die zentrale Rolle der Zentralwohlfahrtsstelle der Juden in Deutschland: Ohne sie und ohne ihre Trägerschaft, wäre der Bau dieser Synagoge nicht möglich gewesen.
Einen bescheidenen Beitrag durfte auch ich leisten, so kamen Frau Staatsministerin Dr. Schüle und Herr Staatssekretär Dünow gemeinsam mit Herrn Lehrer in meine Heimatgemeinde nach Würzburg, wo wir den gordischen Knoten zur Errichtung dieser Synagoge gemeinsam endlich durschlagen konnten.
Meine Damen und Herren,
in den 90er Jahren zogen über 200.000 Jüdinnen und Juden und ihre Familienangehörigen aus der zerfallenen Sowjetunion nach Deutschland; in das Land der Täter. Jüdische Gemeinden wurden wiederbelebt und neugegründet. Das ist auch eine Geschichte von Flucht und Migration – von einer ganz eigenen Form des Ankommens in diesem Land. In Ostdeutschland trafen Sie auf eine Gesellschaft, die selbst gerade erst dabei war, ihren Platz im wiedervereinten Deutschland zu finden. Eine Suche, die auch heute noch nicht überall abgeschlossen ist.
Gesamtgesellschaftlich wurde die Einwanderung der jüdischen Kontingentgeflüchteten irgendwo zwischen Erfolgsgeschichte und Migrationsproblem aus dem Ostblock aufgefasst. Die grassierende Fremdenfeindlichkeit der 90er und Nuller-Jahre machte vor Jüdinnen und Juden nicht Halt und auch die beschwerliche Bürokratie des deutschen Staates nicht, der sich nicht als Einwanderungsland begreifen wollte.
Den damals zugewanderten Jüdinnen und Juden möchte ich meinen mein Respekt und meinen Dank aussprechen. Sie sind Teil der Gründungsgeneration jüdischen Gemeindelebens in Brandenburg nach der Schoa. Ohne die Gemeinde und ihre Mitglieder, stünden wir heute nicht hier.
Meine Damen und Herren,
immer noch von Mut zu sprechen, wenn es um die Einweihung einer Synagoge geht, fühlt sich in diesen Zeiten leider richtig an.
Was soll uns dieser Mut sagen? Die jüdische Gemeinschaft tritt seit Jahren mutig und sichtbar auf, und es hat nichts daran geändert, dass Synagogen zu Anschlagszielen erklärt werden. So wie erst kürzlich im Fall des versuchten Brandanschlags gegen die Synagoge in der Brunnenstraße in Berlin, die Ziel von Islamisten wurde.
In ebenjener Synagoge fanden wir uns am 9. November letztmalig in einer Synagoge zusammen. Am damaligen Tag wurde ein wichtiges Signal aus der Mitte des Parlaments gesendet. Das Ziel eines gemeinsamen Antrages zum Schutz jüdischen Lebens in Deutschland wurde formuliert – das ist nun 8 Monate her. Beschlossen wurde er nicht und dieser Entschließungsantrag ist weiterhin nicht in Sicht. Wie lange kann es dauern, sich auf einen fraktionsübergreifenden Antrag zum Schutz jüdischen Lebens zu einigen?
Seit den in Teilen relativierenden, verherrlichenden oder ausbleibenden Reaktionen auf den 7. Oktober, hat sich der moralische Standard verschoben.
Viele Jüdinnen und Juden sprechen davon, dass sich ihr Freundeskreis verkleinert hat, dass sie in verständnislose Augen schauen, wenn sie über Antisemitismus sprechen. Das festzustellen, ist schmerzlich. Sie sind wütend. Sie erkennen alten Hass im neuen, mehrheitsfähigen Gewand, dort, wo er ihnen entgegenschlägt.
Für viele Jüdinnen und Juden ist die Zeit am »Schwarzen Schabbat« stehen geblieben. Doch die Uhren laufen weiter. Für die Menschen in Gaza und für die Geiseln, sowie ihre Angehörigen, tut sie es in einem schrecklichen Takt.
Juden und Palästinenser sind nicht nur Nachbarn im Nahen Osten, sie sind es auch in deutschen Städten. Hier wie dort gilt: Zu einem Zusammenleben gibt es keine Alternative.
Ich will mir eine Welt ohne Israel nicht vorstellen. Es ist schlimm genug in einer Welt zu leben, in der es an der Tagesordnung steht, dem einzigen jüdischen Staat das Existenzrecht abzusprechen.
Ich weiß nicht, ob jene, die zu keiner Empathie und Solidarität gegenüber Juden am 7. Oktober fähig waren, ihren moralischen Bankrott in Zukunft überwinden werden.
Es gelang ihnen selbst in den darauffolgenden Wochen und Monaten nicht, als jüdische Geschäfte und Häuser mit Davidsternen markiert wurden und auch nicht, als offen Vernichtungsdrohungen gegen Juden weltweit ausgerufen wurden. Hier sehe ich einen Gradmesser für den Zustand unserer Demokratie.
Je stärker eine Minderheit ausgegrenzt oder diskriminiert wird, und je stärker die Mehrheit dies mitträgt oder schweigend wegschaut, desto schlechter ist es um die Demokratie bestellt.
Ein Drittel der jüdischen Gemeinden hat in den Wochen nach dem 7. Oktober antisemitische Angriffe erfahren, die von Vandalismus und psychischem Druck bis hin zu Anschlägen reichten. Viele Gemeinden reagierten schnell und erweiterten ihr Angebot und ihre Arbeitsschwerpunkte.
Insbesondere jüdische Senioren, Familien mit Kindern und Jugendlichen sind von der aktuellen Situation betroffen.
Wir können stolz auf die Infrastruktur sein, die die Gemeinden geschaffen haben, und die so stark ist, dass sie auch geflüchteten Menschen das Ankommen und Integration in Deutschland erleichtert. Die damals zugewanderten Jüdinnen und Juden, sind die Gemeindemitglieder von heute, die Brücken für die von Krieg und Verfolgung betroffenen Ukrainer bauen.
Meine Damen und Herren,
diese Arbeit manifestiert sich in Gebäuden, wie dieser Synagoge. Ich danke allen Unterstützern und Unterstützerinnen, die zur Errichtung und Eröffnung dieses neuen Zentrums jüdischen Lebens beigetragen haben, stellvertretend Architekt Jost Haberland.
Sie alle haben es geschafft, Sicherheit und Sichtbarkeit im Stadtbild, in diesem prachtvollen Gebäude zu vereinen.
Ich danke Ihnen für Ihre Aufmerksamkeit!